zum Stück
„there's no business like showbusiness“. Wir investieren in Gefühle oft wie in einen lukrativen Gegenstand, den es am Markt zu erwerben gilt. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis oder die Errungenschaft, die wir in der Liebe tätigen wollen. Wir brauchen Gegenmodelle! Denn nach wie vor stellen Liebe, Sex und persönliche Beziehungen Bereiche dar, in welcher bestimmte ökonomische und heteronormative Machtverhältnisse erprobt, einstudiert und exekutiert werden.
Showreel Salon Faehig
Salon fähig
Theaterkollektiv Liebstöckl und Söhne
Leitung: Nicole Szolga, Dolores Winkler
Text: Kaška Bryla, Ursula Knoll
UA Stadtwerkstatt Linz, 2016
(Auszug)
Filmemacherin
Na ja. There’s no business like showbusiness. Richtig? Eben. Wo ein Thema ist, da ist auch ein Film. Und wo ein Film ist, da ist auch Geld. Und wo das Geld nicht ist, da muss es sich genommen werden. Auf die eine oder andere Art. Weil wo ein Thema ist, da muss ein Film gemacht werden. Wir können uns ja nicht mit dem Schrott begnügen. Es gibt schon so etwas wie die Pflicht zum Widerstand, die Notwendigkeit von Gegenbildern. Deswegen bin ich Filmemacherin. Das ist das, was mich antreibt.
Vielleicht war das jetzt ein falscher Eindruck. Ich brauch schon auch was Nettes, Leichtes, Unbeschwertes zwischendurch. Ins Kino gehen. Ein Glas Rotwein. Tanzen, ja, Tango, Swing. Es gibt ja viele sehr anziehende, reflektierte Männer. Mit denen man sich austauschen kann. Also etwas Ungebundenes, in dem man sich sehr viel geben kann, Leidenschaft zum Beispiel, Fliegen, ein gegenseitiges Inspirieren, das wäre sehr reizvoll.
Zu meiner Person: Ich bin geschieden, habe einen erwachsenen Sohn. Meine Arbeit ist das Filmemachen, ich leite eine Werbeagentur, wir verkaufen Image-Filme. Mit dem verdiene ich mein Geld. Momentan arbeite ich aber an einem anspruchsvollen Projekt, das sich mit der Geschichte der Wahrnehmung von weiblicher Sexualität in der westlichen Welt auseinandersetzt.
Bis jetzt ist es ja schwierig gewesen, Sexualität zwischen Frauen überhaupt darzustellen. Also Frauen, die richtig miteinander Sex haben, hab ich eigentlich noch nie gesehen. Männer trauen Frauen nicht zu, dass sie richtig Sex haben können. Vor allem männliche Regisseure.
Wenn sie eine Sexszene zwischen zwei Frauen zeigen, ist es Streichelzoo. Oder es wird so ein platter Porno. Das törnt an. Das erregt. Und was erregt, das verkauft sich. Und wer es verkauft, macht Geld damit. Das gilt für jeden Film, nicht nur für Pornos. Pornos sind das Extrem. Und dann ist meine Frage: Wie damit arbeiten? Oder: Ob damit arbeiten. Also: Will ich das? Oder: Was will ich darin? Dass man Frauen in ihrer Sexualität keine Eigenständigkeit zutraut. Das wäre ein Punkt, sich das zu überlegen, das zu brechen.
(resigniert) Tierfilme
Ja. Tierfilme sind total beliebt. (lange Pause)
Also „Findet Nemo“ oder „Wer mit dem Wolf tanzt“ und ich mein sogar dieses „Wild“ jetzt. Ja. Da leckt der Wolf diese blonde Frau. Ja. Tierfilme. Irgendein Mann der einen Hasen fickt, oder ein Einhorn. Warum auch nicht. (lange Pause)
Na, wenn wir die Tiere essen können, dann können wir sie auch ficken. Warum ist das dann schlimmer? In unserer Zeit und in unserer westlichen Welt besteht ja die Zensur darin, dass alles gesagt werden kann, ohne, dass jemand zuhört.
Nein. Also. Das ist der Film, den ich machen werde, darum geht es. Um genau diese Widersprüche. Das mit filmischen Mitteln durchkauen, dem eine Visualität geben. Das reizt mich. Genau in diese Lücke hineingehen. Weil das ist doch das, was im Moment niemand sehen will. Dass diese ganze Geschichte mit den Allah-schreienden Maschinengewehraffen auf ihren Pick-Ups, den Kriegen, dem Terror und dem Rechtsruck der weißen, bürgerlichen Affen hier, dass das alles nur aufbaut auf den patriarchalen Strukturen, die da wie dort die Basis jedes Denkens darstellen. Dass immer irgendwer gefickt werden muss. Nämlich so richtig. (Pause)
Also ich hab schon gern Sex. Leidenschaftlichen Sex. Und Urlaub. Ich würd gern mit jemandem die Ruinen in Marokko in der Wüste besuchen, die Weite, der Sternenhimmel, diese unzähligen Steinformationen. Was dabei rauchen. Mit gutem libanesischen Wein.
Das kam erst Jahre später. Das hat mich schon lange verfolgt, wenn ich ehrlich bin. Nicht, dass ich unglücklich war. Peter und ich, wir waren schon gut miteinander, dann war ja der Paul sehr schnell da, ich hab die Firma hoch und das Kind großgezogen, wir haben uns das gut aufgeteilt, so im Vergleich, sonst wär das mit dem Werbefilm ja gar nicht gegangen, das frisst dich ja auf. Vielleicht klingt es alt, wenn man das sagt, aber ja, die Jahre sind sehr schnell vergangen. Wenn die Zeit sich nicht dehnt, heißt das ja, dass sie erfüllt ist. Die Susanne ist immer wieder mal aus New York gekommen, meistens im Sommer, back home, wie sie das nannte, mit so einem ironischen Unterton. Einmal war auch ein Film von ihr in Graz, da sind wir alle hin, fast alle, wie damals, in der Meisterklasse. Die einen hochgekokst, die andern hochgeschlafen, ein paar hatten die Spur verloren, der Heiko war da nicht mehr dabei, ich glaub, der Helmut hat uns das damals erzählt, das vom Hochhaus. Es war schon schräg, Susannes Arbeit vor dem Hintergrund von Heikos Sprung, natürlich auch die Ästhetik der Zeit, müsste Anfang 90er gewesen sein, die Ausläufer des Selbstverletzungshypes, aber sie hat das schon, ja, das hatte nochmal eine andere Tiefe. Dieser fragile und gleichzeitig feste, drahtige Frauenkörper, aufgehängt wie ein Mobile, eigentlich war der Experimentalfilm damals ja die Paradeform für die Chauvis, die sich da intellektuell einen abwichsten, sie hat das unglaublich klug persifliert, die Susanne. Die hatte den Biss. Als Frau, im Filmbusiness. Wieviele Regisseurinnen gibt es, die es schaffen? Wieviele Frauen gibt es, die einen Film machen können? Es muss immer irgendwer gefickt werden können. Nämlich so richtig. Sie hat ihren Weg gemacht. Alle haben an dem Abend wild über Heiko spekuliert, was ihn dazu gebracht hatte, gerade er, Singapur, Venedig, Toronto, Hong Kong und was nicht noch alles, das hat sich keiner erklären können, und schnell haben sie die ganzen alten Geschichten ausgepackt, wer nicht mit wem aller in welcher Stellung, Susanne ist immer stiller geworden, niemand hat den Film auch nur erwähnt. Und irgendwie. Irgendwas in mir hat sich darüber gefreut. Irgendetwas in mir ist plötzlich ruhig geworden.
Als der Peter dann da mit den Pornos, ich war so außer mir, ich weiß nicht, Wut wahrscheinlich, Ekel, ich mein, das hatte so etwas Schäbiges, nicht einmal zu einer Geliebten hatte er sich aufgerafft. Da hat die Susanne nur gelacht. Umarmt hat sie mich, wir haben sie in die Lade zurückgelegt, ich hab gesehen, wie es arbeitet in ihr, wie sich der Film fast von alleine schreibt, da, hinter ihrer Stirn. An dem Abend habe ich sie zum ersten Mal gefragt, wie es ihr eigentlich geht. Da drüben. Müde hat sie gewirkt. Wer da kommt, und wer da geht, noch bevor ich den Faden verloren hatte, hat sie mittendrin abgebrochen. Wir haben uns eine Flasche Rotwein aufgemacht. Sie hat sich neben mich auf die Bank auf der Terrasse gesetzt, wir sind am Ende miteinander eingeschlafen. So nah.
Ich glaube, es bleibt einfach immer etwas offen.
Paula
Nein, Honey, das habe ich nicht gesagt, dass du nicht attraktiv bist, hörst du mir zu?, nein, das habe ich nicht gesagt, dass du nicht gut bist, oder dass du was falsch machst, wenn du mich angreifst, oder dass du zu schnell bist oder zu langsam oder zu sehr auf dich bezogen, wenn du meine Nippeln knetest oder deine Zunge zwischen meine Schamlippen presst, ja, irgendwann tut das einfach nur weh, ist das bei dir nicht so?, irgendwann ist es so langweilig, dass du nicht mehr weißt, sollst du jetzt an etwas anderes denken oder deine Atemzüge mitzählen oder diesen sexuellen Vorgang möglichst genau beobachten, dass zumindest dein analytischer Verstand unterhalten ist, irgendwann zieht sich die Zeit so, dass du die Termine des nächsten Tages im Kalendermuster zu imaginieren versuchst, damit du die Spannung hältst, den Rhythmus nicht verlangsamst, dir die Augen nicht einfach zuklappen und du dich dem Schlaf hingibst, weil das kommt ja auch wieder nur verletzend an, ist das bei dir nicht so, dass du manchmal einfach nur müde bist?, und nein, das habe ich mit nichts angedeutet, dass du mir wehtust, du hast das gerade eingeworfen, ich habe versucht, dir das zu erklären, Honey, wenn du mich einmal ausreden lassen könntest, die letzten fünfzehn Jahre erkläre ich dir das, hörst du mir zu?, ich sehe in deine blauen, in deine braunen, in deine graugrünen Augen, streichel dir durch deine schwarzen Locken, über deinen rasierten Nacken, über deine Nasenwurzel, über deine Bartstoppeln am Kinn, über den Lidschatten an deinem linken Auge, flüstere, bitte, beschreibe, erkläre, scherze, stöhne, weine, schreie, damit du für einen Augenblick von dir selbst abstrahierst, damit du aus deinen fest durchschrittenen, genau umzäunten Vorstellungen von dem, wie Menschsein zu sein hat, ausbrichst und dich für einen winzigen Moment hineinversetzt in das, wie sich das anfühlen kann, wenn man einfach kein Verlangen hat, nein, Honey, das habe ich nicht gesagt, dass du nicht anziehend bist, es ist doch viel grundsätzlicher, wieso tu ich dir weh?, ja, es irritiert, das glaube ich, vielleicht tut es auch weh, ja, das kann sein, aber ich tu dir doch nicht weh, wenn ich sage, nein, ich habe absolut kein Verlangen, interessiert mich nicht, Verlangen an sich, verstehst du, interessiert mich Nüsse, wieso bin ich jetzt abweisend, was?, brutal, wirklich, brutal sagst du?, soll ich dir sagen, was brutal ist?, ich sag dir, was brutal ist, jeden Morgen in die Welt da draußen zu treten, die voller Sexueller ist, die dich anschaun, mit diesem Blick, mit dieser Erwartung, dass du willst und dass du verfügbar bist und dass dich das doch essentiell treiben muss, in jeder deiner Handlungen, in jedem deiner Gedanken, jeden Morgen in die Welt da draußen zu treten, in der alles, was du liest und was du dir anschaust und was du anziehst und was du kaufst dir suggeriert, dass es dieses totale, irgendwie biologisch oder psychoanalytisch oder sonstwie argumentierte sexuelle Verlangen geben soll, das deine gesamte Aufmerksamkeit strukturiert, dass dein Verlangen das ist, was du bist, dein Sein als Verlangen, ergo dass du gar nicht existierst, existieren kannst, ohne dieses dein Verlangen, das ist brutal, verstehst du, das mach ich jeden Tag, verstehst du, was ich dir sagen will, Honey, aha, jetzt rede ich geschwollen und theoretisiere mir etwas zusammen, wirklich?, weil ich keinen anderen Weg finde, dir zu sagen, dass ich dich nicht liebe?!, was hat das jetzt mit Liebe zu tun?, wieso soll ich dich nicht lieben?, wie kommst du darauf, dass ich dir etwas vorgemacht habe, nein, du bist es, die unsere Geschichte gerade in den Dreck zieht, hörst du mir zu, Honey, du bist es, der behauptet, ich hätte ihn benutzt, wieso soll ich nicht intim sein wollen mit dir?, sind wir das nicht, wenn du mich zum Lachen bringst, wenn ich meinen Kopf da auf deine Hüfte lege und du mir übers Gesicht streichst, wenn ich dich atmen höre, in der Nacht, dein Hintern an meinen Bauch gepresst, wieso soll das jetzt verlogen sein, nur weil ich sag, hörst du mich, Honey?, ich habe dir nichts vorgespielt, wieso hätte ich das tun sollen, das ist doch gar nicht der Punkt, kannst du für eine Sekunde aus deiner Kränkung heraus in meine Welt
(Pause)
Kennst du das? Magst du das auch nicht mehr diskutieren? Dann sollten wir uns zusammentun. Weil wir sind viele. Wenn wir uns finden. Und vielleicht verlieben wir uns sogar ineinander.
Ruf an.