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Wien


48° Nord
ein Breiteng
rad 2050
Zukunftserzählungen

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Entfernung: 0 km

bisher gefahrene Tage: 0

Laune: sehr aufgeregt

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Zweigunser

ein Dramoletterl von Barbara Kadletz und Ursula Knoll

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AKT 1
Szene 1
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Ein schöner Kiesweg gesäumt von akkurat geschnittenen Bäumen im Salzburger Schnürlregen.

Stefan Zweig rollt als riesige Kugel durch den Mirabellgarten, die Leute starren ihn an, Kinder lachen und zeigen mit dem Finger auf ihn.

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ERSTER PASSANT
Der wird auch immer fetter.

ERSTE PASSANTIN
Immer so aufgeladen, mit Bedeutung.

ZWEITE PASSANTIN
Der kommt den Berg gar nimmer rauf. Zu sich nachhause. So aufgeblasen ist der.

ERSTER PASSANT
Ja, und die Schokolade klebt ja auch so.

ERSTE PASSANTIN
Ist der Originalkern jetzt aus Marzipan oder Nougat?

ZWEITER PASSANT
Nougat. Das ist die Originalrezeptur Stefan Zweig. Schmeckt neutral und eigentlich jedem. Hat sich jedenfalls noch nie einer beschwert. Kalorienarm. Kann Spuren von Weltläufigkeit enthalten. Zergeht einem auf der Zunge. Lässt sich gut als Geschenk verpacken…

DRITTER PASSANT
Jemand muss den aufhalten! Der planiert uns noch das Festspielhaus!

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Der dritte Passant krallt sich an der Kugel fest, verbeißt sich in der Schokolade.

Stefan Zweig und der Passant rollen in die Salzach und werden vom gierigen Fluss verschlungen.

Mit gezücktem Handy stehen die Leute da und filmen. Die Aufregung legt sich aber bald, denn der Jedermann beginnt.

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Szene 2
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Das EU-Parlament in Straßburg.

Aus dem Besucherrang ganz oben unter dem Dach dringt ohrenbetäubendes Schnarchen.

Die Abgeordneten müssen sich gegenseitig anschreien, um sich verständlich zu machen.

Zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes entdecken einen älteren Herrn, der sich unter eine Bank gerollt hat. Neben ihm liegen eine EU-Flagge, eine Tröte und ein bengalisches Feuer.

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ERSTER MITARBEITER
(schreit) Geh bitte, der schon wieder.

ZWEITER MITARBEITER
(schreit) Heut krieg ich die Füß!

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Sie heben den alten Herrn hoch und tragen ihn ächzend die Treppen hinunter.
Eine Abgeordnete springt einem anderen Abgeordneten an die Gurgel. Einige applaudieren.

Ein Abgeordneter kramt in seiner Tasche nach einem Pflaster.

Die Sitzung wird ergebnislos aufgelöst.



 

AKT 2

[wegen Wiederholungen und inhaltlichen Längen von der Lektorin gestrichen]



 

AKT 3
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Szene 1
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Eine Lichtung im Amazonasgebiet, ringsum undurchdringlicher Regenwald.

Lotte Zweig sitzt in einem Liegestuhl und schreibt einen Brief.

Ein Vogel kommt diensteifrig angeflogen, stellt ihr ein Glas Wasser zu Füßen, schwingt sich in die Höhe, wird von einer Rauchschwade erfasst, lässt sich vor Schreck in Lottes Schoß fallen.

Lotte blickt auf, streichelt den Vogel.

Der Horizont ist glutrot, der Regenwald lodert.

 

LOTTE ZWEIG
Stefan??! Stefan!!! Jetzt komm, schau dir das an. Sind das nicht Trotteln?

 

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Szene 2
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Eine eng zugeparkte Straße in einer so genannten guten Gegend in Wien. In der stadtbekannten Buchhandlung brennt noch Licht.
Stefan Zweig sitzt gebückt im untersten Regal. Er niest und wischt sich Staub vom Sakko. Dann niest er wieder.

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STEFAN ZWEIG
(vernuschelt) Einer wie du, der kann sich sogar so einen ungünstigen Anfangsbuchstaben leisten. Mitten in der Bückzone. Du bist immer noch gefragt. Die hockerln sich dann in den Staub zu dir und greifen gerne nach der Welt von Gestern. Die Selbstgerechten und die Hutschachteln. Das gibt denen so was. Bedeutungsvolles. Die fühlen sich dann so. Wie ein Citoyen. Die legen sich ein, in deiner Prosa, versalzen dir in deinem Werk. Und wenn die Kassa piepst, bedeutet das immer noch relevant zu sein. Je öfter die piepst, desto relevanter bist du. Und dann steigst du ein mit denen, in ihre SUVs, liegst an Kärntner Seen, spielst Golf oder fährst am Wochenende nach Grado. Ein Klecks Sonnenöl auf der Brust. Aber deswegen gibt es ja Schutzumschläge.

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Stefan Zweig ächzt, schält sich aus dem untersten Regal, legt einen Euroschein auf das Kassapult. Die Kassa piepst freundlich, Stefan Zweig zieht den Hut und wünscht ihr eine gute Nacht.


 

Szene 3
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Eine erdnahe Umlaufbahn.


Stefan Zweig rudert wild mit den Armen. Vor ihm gleitet die Kosmonautin Valentina Tereschkowa durch das All. Stefan Zweig winkt ihr zu, deutet ihr, kurz zu warten.
Plötzlich schlägt ein Komet in die Erde ein, Wirbel, Staub, Druckwellen, die beiden werden auseinandergerissen und driften ins ewige Schwarz.

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STEFAN ZWEIG
(ruft, in der Ferne immer leiser werdend) Jetzt warten’S doch, wegen der Sternstunden, ich würd...

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